Digitale Nachbarn. Hinsehen oder Ignorieren?

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mit diesem Post wieder einige Leser erschrecke und vor allem die schwangeren Blondinen überfordere – zur Zeit ist ein sehr spannender Prozess zu beobachten:
Es geht um Einflußnahme auf politische und gesellschaftliche Prozesse. Weltweit passiert da derzeit Bemerkenswertes. Es betrifft uns, weil es in der virtuellen Welt direkte Nachbarn sind, die sich dabei hervortun.
USA
Der Wahlkampf in den USA ist meiner Meinung nach DIE Initialzündung für eine angeregte Diskussion, die auch in Deutschland zunehmend wahrnehmbarer wird. Dabei muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass ein talentierter, aber unerfahrener und zudem noch schwarzer Kandidat der „Demokratischen Partei“ sich nicht nur gegen den verwurzelten Clinton-Clan durchsetzen konnte. Er schaffte es auch noch, mit nichts als einer Vision den Kampf ums Weiße Haus zu gewinnen. Den Schlüssel zum Erfolg sehen Experten weltweit in einer geschickten und authentischen Nutzung des Internet.
Europa
Die etablierten Parteien tun sich schwer mit der konsequenten Nutzung des WWW. Inzwischen ist klar, dass eine 1:1-Kopie des US-Konzeptes für Europa nur schwer umzusetzen sein dürfte. Wir sind ein Volk von Internet-Ausdruckern und Online-Bankern – mehr nicht.
Der Longtail der Mitglieder würde abgeschnitten sein – und wer riskiert es, seine Basis nicht mitzunehmen? Small ist in diesem Falle beautyfull – die kleinen Parteien haben es leichter.
Viel Potential haben auch Neugründungen von Parteien: Die erst kürzlich entstandene Piratenpartei hat zwar nicht die durchschlagenden Ergebnisse erziehlt, die ich ihr für die Europawahl gewünscht hätte – aber anders als bei SPD und CDU kann man dort auf eine wohlwollende Zukunft hoffen.
Japan
Keine Gesellschaft ist so experimentierfreudig wie die Menschen im Land der aufgehenden Sonne. Mobile Nutzung von neuen Medien ist dort wesentlich weiter entwickelt, als an irgendeinem anderen Orten der Welt. Mobiles Internet ist Gang und Gebe und QR-Codes und Schnittstellen zur alternden Gesellschaft gehören zum Alltagsbild. In Europa ist das noch Zukunftsmusik.
China
Die gut ausgebildete Jugend weiß streng genommen nix vom Massaker am Platz des Himmlischen Friedens. Eine ausgeklügelte Filterung des WWW verschafft den roten Diktatoren in Peking noch etwas Luft, bevor ihnen der ganze Laden um die Ohren fliegt.
Iran
So wie in Therean. Dort hat der vermeintliche Wahlbetrug der Konservativen zu Massendemonstrationen geführt. Europäische Demokraten können von soviel Engagement nur neidisch werden. Immerhin ist es fraglos heldenhaft, im Iran gegen das herrschende Regime zu demonstrieren – Es wäre verantwortungslos, wegzuschauen:

Mein Twittertipp: Alireza
Mein Lesetipp: Revolution will be twittered
Mein Tipp für Selbstnachdenker in Sachen Iran: Weitere Twitterer aus dem Iran
Ich halte es für beängstigend, dass das Internet in Europa als Bedrohung empfunden wird, obwohl bewiesen ist, dass es demokratisierend wirkt.
Danke für die Aufmerksamkeit.


Kommentare

8 Antworten zu „Digitale Nachbarn. Hinsehen oder Ignorieren?“

  1. Weder erschreckst Du mich, noch bin ich eine schwangere Blondine und trotzdem finde ich den Beitrag zu euphorisch – aber so bist Du eben, wenn es ueber Neue Medien geht.
    Einige Angaben sind einfach falsch, oder zumindest sehr selektiv wahrgenommen.
    Beispiele:
    Obama ist schon lange vor seiner Wahl Berufspolitiker gewesen und weiss daher wie ein erfolgreicher Wahlkampf gefuehrt wird. Und ein solcher wird in den USA prinzipiell ueber Visionen gefuehrt. Und was war seine Vision? Change! Nach Bush ziemlich naheliegend und simpel.
    Der Schluessel zum Erfolg war auch nicht das Intenet. Das war ein Baustein von vielen. Abgesehen davon, kann man die Bedingungen eines US-Wahlkampfs nicht 1:1 mit Europa vergleichen, wie Du es tust.
    Gerade das neueste Baby des Internets, Twitter, beweist zur Zeit wie anfaellig fuer Desinformation und damit undemokratisches Verhalten das World Wide Web ist. Momentan geistert da die "News" von der Verhaftung von Moussavi (der uebrigens auch ein Konservativer ist) herum, die in einer ersten Reaktion seiner Gattin bestritten wird.
    Das sind nur einige Beispiele, da ich weder die Zeit habe, noch hier der Platz fuer alle ist.
    Was ich damit sagen will, ist dass der Beitrag im Ansatz zwar von guter Intention getragen ist, in der Ausfuehrung aber sehr schwach ist.
    Bitte nimm' es als positive Kritik von jemand mit dem Du auf der selben Uni Journalismus studiert hat und der daher weiss, dass Du es besser kannst. 😉
    PS: Sorry fuer das Fehlen der Umlaute und des scharfen s, ich arbeite mit englischer Tastatur.

  2. Obama ist schon lange vor seiner Wahl Berufspolitiker gewesen und weiss daher wie ein erfolgreicher Wahlkampf gefuehrt wird. Und ein solcher wird in den USA prinzipiell ueber Visionen gefuehrt

    Wohl wahr – aber nie wurde das Internet so konsequent über die "neuen Medien" geführt. Weil es noch relativ gut im Gedächtnis ist, habe ich darauf abgehoben. Vielleicht etwas zu kurz – aber die schwangeren Blondinen vertragen nur kurze Einführungen, keine langen Ausführungen. Dass Du das anders siehst, liegt in der Natur der Sache 😉
    Ich widerspreche Deiner Schlussfolgerung was die Schlüsselposition Internet im Wahlkampf USA angeht. Es war sehr wohl das Fundament – zusammen mit der offenen Einbeziehung von potentiellen Unterstützern war es wesentlich für die Popularität des Kandidaten und damit auch für den Geld-Zufluss.
    Twittermeldungen sind keine Nachrichten. Es sind Quellen. Um "journalistisch" verwertbar zu werden, bedarf es natürlich des handwerklichen Umgangs mit Quellen. Das Wunderbare ist, dass es überhaupt Quellen gibt. Massenhaft – ungefiltert, trotz der Filteraktionen des Regimes.
    Was mich direkt zur eigentlichen Intention dieses Beitrages bringt: Die #zensursula Debatte, die zur Zeit in Deutschland geführt wird und die europäische Form der "Zensur" beschreibt.

    …und der daher weiss, dass Du es besser kannst.

    Da mache ich doch erst einmal einen Knicks und verweise auf die Uhrzeit. Ich war über meinen persönlichen Leistungszenit längst hinüber, wollte die Worte aber doch noch loswerden – sozusagen: Beta 😉
    PS: Das Fehlen der Umlaute ist allerdings unverzeihlich…!

  3. Was Obama und seinen Internetwahlkampf betrifft, so stimmt es, dass in dieser extensiven Form das Internet noch nie einbezogen wurde, aber eben nur als eine von vielen Aktionen, Es war weder fuer die Wahlkampffinanzierung, noch fuer den Wahlkampf selbst DAS ausschlaggebende Mittel.
    Ich fuerchte, Du faellst da auf den ueblichen Internet-Hype herein, oder schlimmer, auf eine der vielen Urban Legends.
    Ich lasse mir aber gern das Gegenteil beweisen, wenn Du Fakten fuer Deine Behauptungen bringst.
    Ja, das Internet ist wichtig, da es unser Leben und unsere Informationsweitergabe bereichern kann, aber darin liegt auch die Crux.
    Niemand wird bestreiten, dass das Internet auch einen zumuellen kann, oder schlimmer desinformieren kann.
    In diesem Sinne kann ein youtube-Video oder eine Twittermeldung der Wahrheit, oder aber auch der Desinformation dienen,
    Witzigerweise empfiehlst Du Deinen Lesern Twitter unkommentiert, obwohl Du in der Antwort auf mein voriges Post dann sagst, dass Twittermeldungen keine Nachrichten, sondern Quellen sind, die des journalistischen (handwerklichen) Umgang beduerfen.
    Den solltest Du eigentlich im kleinen Finger haben und daher lasse ich Deinen Verweis auf die Uhrzeit nicht gelten, da es keine Betaversion gibt, wenn man etwas veroeffentlicht.
    Waere es also nicht Deine Aufgabe gewesen, Deine Leser umfassend zu informieren? Zumindest so zu informieren, dass sie die angebotene Information einordnen koennen?
    Meine Hauptkritik setzt vor allem da an, wo Du Twitter (und youtube) in dem Beitrag unkommentiert (und vermutlich ungeprueft) empfiehlst. Da Du auch Fakten im Beitrag verzerrst (was an sich in einem Blog erlaubt ist, nur bin ich der Meinung, man sollte es auch hier kennzeichnen), gibst Du dem ganzen das Bild, die Neuen Medien waeren die Rettung, was einfachnicht stimmt, denn dort treiben sich wie in der realen Welt nicht nur die Guten, sondern auch die Boesen herum – nur sind sie schwerer zu erkennen.
    Ich reite deshalb so auf Deinem Beitrag herum, weil Blogger mittlerweile bereits in den klassischen Medien zitiert werden und damit oft Ihre Meinung fuer ganze Gruppen steht, wozu sie niemand legitimiert hat.
    Ich stelle daher hier die These auf, dass die Demokratisierung durch die Neuen Medien nur eine scheinbare ist, und in Wirklichkeit die Neuen Medien unsere Gesellschaft weniger transparent und damit weniger demokratisch machen.
    Denk' eimal darueber nach. 😉
    PS: Das Umlautproblem besteht daher, da ich mir vor einiger Zeit hier in GB das neue Alu-Mac Book zugelegt habe und die poesen Priten verkaufen das nur mit englischer Tastatur.
    Btw ist ein geiles Geraet und macht eine stabileren Eindruck als mein altes weisses Mac Book, das schon leichte Aufloesungserscheinungen gezeigt hat.

  4. Okay. Ich akzeptiere, dass eine Beweisführung über die Relevanz des Online-Wahlkampfes schwierig wird. Allerdings führte der Spiegel am 11.Feburar aus:
    Längst stellt sein Spendentopf den der in der Finanzwelt bestens verdrahteten Clintons in den Schatten. Obama scheffelte nach seinem Sieg in South Carolina eine halbe Million Online-Dollar pro Stunde und schaffte es so auf 32 Millionen Dollar im Januar. Hillary Clinton schießt derweil schon Geld aus privater Schatulle zu, während Obama die Cents der kleinen Nutzer zufließen: Schon jetzt deutet sich an, dass sich dies auch im Februar auf eine satte Summe runden wird.
    SPON.
    Besonders heimtücksich ist der von Dir geäußerte Verdacht, ich würde einer Urban Legend aufsitzen. Er lässt sich so schwer entkräften. Also geht der Punkt an Dich. 😉
    Das Internet selbst nimmt ja keine Wertung zwischen wahrer und falscher Information vor. Ohne jetzt auf den Wert von Wahrheit abstellen zu wollen: Die Bewertung trifft immer der Rezipient – oder im Falle des Wespennestes – der Leser.
    Das wahr schon immer so, auch wenn die Redaktionen klassicher eine Vorselektion im Sinne eines Gatekeepers übernehmen. Einer vorselektierten und von Redakteuren aufbereiteten Wahrheit der Bild-Zeitung bringt ein Leser des Spiegel nun einmal weniger Vertrauen entgegen als einer Darstellung des gleichen Sachverhaltes in der Süddeutschen Zeitung. Das Medium (bzw dessen Redaktion) wurde und wird im Auge des Betrachtes zu dessen Quelle. Was mich schnurstacks zurück zum eigentlichen Ausgangspunkt dieser Diskussion führt:
    Die #Zensursula-Debatte, die in meinem Falle auch und gerade über Twitter relevant wurde, ist bekanntermaßen (,auf der Insel natürlich nicht leicht zu verfolgen,) über die klassischen Medien geführt worden. Vergleiche ich den Sachverstand der hinter den einzelnen Diskutanten steckt, so ergibt sich bei entsprechender Einarbeitung in das Thema eindeutig, dass die guten Quellen eher auf Twitter gefunden (und weiterverbreitet) werden, als in den Artikeln und Kommentaren der Zeitungen und im Fernsehen.
    Dass es hüben wie drüben Ausnahmen gibt, sei hier unbestritten. Aber: Vielleicht ist die Intelligenz der Massen eine der von Dir angesprochenen "Urbanen Legenden" der ich tatsächlich aufsitze. Ich kann jedoch sagen, dass ich eher Inhalte weiterverbreite deren Lieferant mein Vertrauen hat als Inhalte deren Verfasser ich nicht kenne.
    Dabei ist es nicht erheblich, ob und wieviele Menschen meiner Quelle ihr Vertrauen schenken – es ist eine individuelle Entscheidung. Auch ich unterliege als Quelle dieser Bewertung meiner Leser. Zitiert und weiterverbreitet werden meine Inhalte nur von Personen, die mir ihr Vertrauen schenken. Aufmerksamkeit errege ich nur, wenn Vertrauen und Relevanz gegeben sind.
    Gleiches haben Du und ich in ähnlicher Form auch in der Uni gehört – allerdings ist die "Vertrauensfrage" dort hinter der Relevanz geblieben.
    Recht hast Du wenn Du vermutest, dass die im Artikel angeführten Links nicht geprüft sind. Sie stammen aus einer frühen Liste von Linktipps, die ich im Twitter gefunden habe. Zur Zeit verfolge ich einen Tweet, den ich weiterempfohlen habe. YouTube ist eigentlich nicht meine Sache, weil ich stundenlange Demovideos für wenig aussagekräftig ansehe – weil ich aber weiß, wie unterschiedlich Fernsehberichte aus Gorleben und meine Aufnahmen von den "kritischen" Vorgängen sind, halte ich es für akzeptabel, dass ich das og Video eingebunden habe.
    Schwierig wird es, wenn ich zwischen den einzelnen Kanälen hin und herswitche (hier Blog, da YouTube, dort Twitter und Facebook). Tatsächlich habe ich die Liste für "Selbstnachdenker" in Sachen Iran nicht Stück für Stück durchgeschaut. Ich habe aber, wie ich finde mit der Bezeichnung des Links durchaus darauf hingewiesen, dass Nachdenken beim Konsum nicht verzichtbar ist.
    So: Nun die Replik auf die ich mich schon lange freue:
    Deine These halte ich für spannend aber bereits nach kurzem Nachdenken für absurd. Neue Medien können die Gesellschaft nicht komplizierter machen – sie ist einfach komplex, was jetzt nicht mehr verschwiegen werden kann.

  5. Gleich zu Deiner Kritik an meiner These:
    Ich habe darin nicht von "Kompliziertheit", sondern von "Transparenz" geschrieben. Ein kleiner, aber feiner Unterschied!
    Verwendet man transparent statt kompliziert, wie ich es getan habe, ist sie gar nicht mehr so absurd.
    Provokant ist sie trotzdem allemal und btw die Welt war schon immer komplex.
    Jedenfalls bist Du eingeladen, diesmal laenger ueber die These nachzudenken.
    Du beschreibst das Grundproblem selbst, indem Du schreibst, dass es schwierig wird, wenn man zwischen den Kanaelen hin und her switcht.
    Die neue Medienwelt hat uns eine Vielzahl an Kanaelen gebracht, in denen Hinz und Kunz ihre Erguesse in Sekundenschnelle ueber den ganzen Erdball verbreiten koennen. Aber stimmt die Information deswegen?
    Ist Information qualitativ besser geworde, oder einfach nur quantitativ mehr? Sind also die Menschen besser informiert, oder gibt es nur einfach mehr Information, deren Qualitaet abgenommen hat, weil eben jeder heute Information weltweit verbreiten kann?
    Wie kann der Einzelne in dieser Flut zumeist voellig irrelevanter oder gefaerbter Information die einzelne Information bewerten? Selbst nachdenken ist zwar eine schoene Phrase und wird u.a. gerne von den Rechten verwendet, um die Desinformation noch zu steigern, aber wie kann man ernsthaft selbst ueber etwas nachdenken, wenn einen die Informationsflut fast ertraenkt?Oeffnet nicht diese unreflektierte Informationsflut der Propaganda und Desinformation Tuer und Tor und ist damit der Demokratie langfristig aeusserst abtraeglich?
    Wir haben vor mittlerweile fast 15 Jahren auf der Uni das Schlagwort "overnewsed and underinformed" unzaehlige Male gehoert. Mitte der 90er waren wir noch weit davon entfernt, heute sind wir dort angekommen und manche von uns freuen sich darueber, weil es fuer sie eine (vermeintliche) Demokratisierung bringt, ohne dass sie die Gefahren sehen.
    Waere es nicht unsere Aufgabe eingedenk unserer Ausbildung auf diese Gefahren hinzuweisen und reflektiert auf eine Verbesserung des Systems der Informationsaufbereitung und hinzuarbeiten, als unrefelektiert bei jedem Hype mitzumachen?

  6. Entschuldigung, dass ich mich zwischen diesem interessanten Schlagabtausch einmal zwischendrängele, aber ich würd gern knapp auf Axels´ Argumente bzw. -These, was auch immer, eingehen.
    Recht hast du in der Behauptung, dass die Informationsflut und damit die "Dichte" zugenommen hat. Doch hierin bildet sich ein Phänomen heraus. Die für einen selbst vertauenswürdigen Quellen gewinnen gegenüber dem Rest an Informationsmüll.
    Fakt ist: Qualität, die Qualität der Quelle, wird sich durchsetzen. Immer. Neben der Daten-und Informationsflut hat sich m.E. auch die Sensibilität der User resp. Endnutzer erhöht. Blogs, Twitterer, Social Network Betreiber können eben nur mit Güte der verbreiteten Informationen punkten. Bleibt diese aus, so verspielt man sich schnell seine Webreputation. Der Demokratisierungsfaktor ist hierbei immens hoch. Und eine einfache Stimmungsmache muss eben durch viele Webseiten, besser Filter, geschoben werden. Und so einfach ist es dann doch nicht.
    Wie wurde schon gesungen:
    Don´t believe the hype!
    der
    jens

  7. @ jens
    So einfach ist es nie! 🙂
    Da ich ja immer ans Gute im Menschen glaube, stimme ich Dir prinzipiell (jedoch nicht voellig) zu.
    Allerdings weiss noch niemand, wie sich die neuen Moglichkeiten des Webs entwickeln werden (auch im Sinne zukuenftiger globaler rechtlicher Rahmenbedingung).
    Wir duerfen nicht vergessen, dass wir einerseits noch ganz am Anfang des Webs stehen und daher andererseits die Zukunft des Webs nicht aus rein europaeischer (oder westlicher) Sicht bewerten duerfen, was ich bei Olaf im Verdacht habe (ohne ihm Unrecht tun zu wollen).
    Wir stehen erst an der Schwelle zum wirklichen globalen Dorf, da nun auch User aus Iran, Indien, China, etc. den Cyberspace zu bevoelkern beginnen.
    Bitte nicht falsch verstehen: Ich finde das eine sehr positive Entwicklung!
    Aufgrund der politischen Verhaeltnisse und der ungleichen Verteilung von Wohlstand in vielen dieser Laender, besteht m.E. die reale Gefahr, dass sich gewisse Gruppen getarnt den Hype zur Desinformation nutzen.
    Ein simples Beispiel war die Meldung vor einigen Tagen auf Twitter, dass Moussavi verhaftet worden sei. Das war sehr einfach gestrickt gemacht und war daher leicht zu durchschauen, aber lass an so etwas oder aehnliches einmal Profis ran die vielleicht noch ein autoritaeres Regime im Ruecken haben.
    Im Prinzip koennen so Kriege entstehen. Die amerikanische und britische Falschinformation zum Beginn des Irakkrieges ging nach diesem Muster ab und die haben dazu nicht einmal das Web allzu extensiv genutzt.
    Ich will keinesfalls Saddam Hussein posthum verteidigen, aber wir wissen mittlerweile, dass der offizielle Kriegsgrund, naemlich die Massenvernichtungswaffen des Irak, nicht existiert haben. Man ist da zwar auch relativ schnell drauf gekommen, aber da war es schon laengst zu spaet fuer eine friedliche Loesung.
    Wenn in so offenen und demokratischen Gesellschaften so etwas moeglich ist, was ist dann in autoritaeren Gesellschaften, die die gleichen Mittel zur Verfuegung haben, moeglich?
    Und was nutzt es den Menschen in diesen Laendern, wenn der Rest der Welt ueber das ihnen widerfahrende Unrecht am Bildschirm liest, aber nichts tun kann?
    Daher bin ich der Meinung, dass der Demokratisierungsfaktor des Webs masslos ueberschaetzt wird.
    In demokratischen Gesellschaften mag er hoch sein, aber nicht wegen des Webs an sich, sondern weil diese Gesellschaften nach dem demokratischen Grundkonsens organisiert sind. Das Web ist da nur ein neuer Baustein der Kommunikation wie weiland das Telefon.
    In autoritaeren Gesellschaften sieht die Sache ganz anders aus, denn einerseits haben dort wegen des steilen Wohlstandsgefaelles nicht alle Zugang zum Netz und andereseits machen sich die jeweiligen Regimes das Netz zu Eigen, um Desinformation und Propaganda zu verbreiten. Bis die demokratische Welt reagieren kann (wenn sie ueberhaupt reagiert), ist es zumeist fuer die betroffene Bevoelkerung zu spaet.
    Selbst in demokratischen Gesellschaften kann das Netz missbraucht und, wenn man es geschickt anpackt, so instrumentalisiert werden, dass es zu einem Demokratieverlust fuehrt. Italien unter der Medienmacht Berlusconis ist eine aktuelles und konkretes Beispiel dafuer.
    Abgesehen davon, seien wir doch ehrlich, was spielt sich denn zu 99% in Blogs, Social Networks und auf Twitter ab? Da geht es doch nicht um Demokratie, sondern vielmehr um Selbstdarstellung und persoenliche Befindlichkeiten!
    Wenn das fortschreitende Demokratiesierung sein soll, dann ist das Leben wirklich nur eine Soap Opera. 😉
    PS: Danke fuers "zwischendraengeln"! Much appreciated! 🙂

  8. @ jens und olaf
    Jungs,
    um die Diskussion abzuschliessen und Euch zu zeigen, dass ich im Grunde nicht gegen das Web 2.0 bin (lediglich bin ich nicht so euphorisch wie Ihr es seid) empfehle ich Euch folgenden Link zur Ansicht:

    .
    Das ist der Beitrag von Robert Misik, der u.a. einen Woechentlichen Videoblog auf derstandard.at betreibt. Misik schreibt auch fuer den Standard und auch fuer die taz.
    Neben mehreren Buchveroeffentlichungen betreibt er auch den Blog misik.at, der wirklich einmal einen Blick Wert ist.
    Wie auch immer, ich schaetze seinen Videoblog auf derstandard.at jede Woche sehr und ebenso seinen eigentlichen Blog.
    Mit dem Videoblog diese Woche spricht er mir in Anbetracht unserer Dikussion aus der Seele.
    Olaf, eigentlich haette ich mir aehnliches von Dir erwartet. Denn was der Misik journalistisch kann, kannst Du doch schon lange, oder nicht? 😉

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