Es tut sich wieder mal was in Sachen Mobilität. Das Scorpion welches hier schon das eine oder andere Mal erwähnt wurde ist es nicht geworden. Medi wollte sein Exemplar auf Nachfrage und Drängen nicht gebraucht verkaufen und neu übersteigt das Teil mein denkbares Budget um ein Vielvielfaches.
Seit dem vergangenen Wochenende bin ich stolzer Besitzer eines Pedelecs, im neudeutschen Volksmund eBike genannt. Meine Frau ist schon ein paar Tage länger mit Elektromotorhilfe unterwegs und auf den Testfahrten habe ich Blut geleckt.
Ich stelle fest: Wer sich in ein eBike kauft, wird ohne weitere Nachfragen unter den regulären Radfahrern als Weichei einsortiert.
Mein Trauzeuge gibt Anekdoten zum Besten, in denen er einem eBike-Päärchen während des Überholvorganges sein Mitleid über das armseelige Mofa-Tempo aussprach, in die Pedale trat und hinter dem Horizont verschwand. Die flüchtige Bekannte gibt zu verstehen, dass eBikes für sie erst ab 50 in Frage kämen und mein 70jähriger Nachbar schaut mich so mitleidig an, dass ich mich genötigt sehe die Auswirkung des Hilfsmotors klein zu reden.
Ach was soll es. Wer sich zwischen „Blut und Ehre“ und „schnell und bequem“ beim werktäglichen Pendeln für Blut und Ehre entscheidet, darf gerne an der Tour de France teilnehmen. Man ist so alt wie man sich fühlt und ich für meinen Teil fühle mich eben alt – aber gut!
Im Gegensatz zu meinem Fahrrad ist mein eBike als Mountainbike ausgestattet. Breite Stollenbereifung macht es mir hoffentlich möglich, bis in den Frost hinein zu fahren. Stollenreifen kämen für mich ohne Motor überhaupt nicht in Frage. Zu groß ist der Kraftaufwand, das Rad am Rollen zu halten. Mit Motorunterstützung kann mir das aber relativ egal sein.
Der Motor meines Haibikes kommt aus Deutschen Landen von der Firma Bosch. Der Automobilzulieferer hat seine Aktivitäten in Sachen Fahrradtechnik inzwischen in eine eigene Sektion ausgelagert und genießt in der Szene einen guten Ruf. Haibike ist ebenfalls ein deutscher Hersteller, der sehr ordentliche Ware im Consumer-Bereich auf den Markt wirft und in Sachen Preis/Leistung und Produktinnovation durchaus vorne mitspielt.
Die erste Akkuladung wurde schon in den ersten beiden Tagen runtergefahren, auf dem Tacho stehen zu diesem Zeitpunkt 72 Kilometer.
Das Pensum am Sonnabend: Mit Anhänger mal das Kind, mal mehrere Kästen Cola hin und hergezogen, den Rodelberg mehrfach (fast) anstrengungsfrei rauf- und runtergeradelt, mit Schnitt(!) 27 von Lüchow nach Dannenberg und wieder zurück und kreuz und quer durch den Wald am Reiterstadion gepest.
Sonntags wurde noch die letzte Restreichweite vor dem Frühstück runtergespult, damit der Akku vor der ersten Fahrt zur Arbeit neu geladen werden kann.
Die erste Fahrt zur Arbeit ist – trotz kräftigem Gegenwindes und Dauernieselns – eine wahre Freude geworden. Allerdings ging’s auch nicht ganz ohne Schwitzen. Beim Pendeln nach Clenze nutze ich die höchste Unterstützungsstufe, die bei 27 Km/h den Motor abriegelt, ansonsten aber 250% meiner eignen Tretleistung auf die Kette spult. Zumindest solang, wie der Akku Strom liefert!
Überhaupt der Akku: Der speichert eine Energie von 400 Wattstunden, lädt innerhalb von 3,5 Stunden von 0 auf 100% und reicht – je nach Bedarf – bis zu 160 Kilometer.
Die diesbezüglichen Herstellerangaben beziehen sich in der Regel auf den 70 Kilogramm schweren Menschen, welcher bei Windstille auf ebener Strecke mit minimaler Unterstützung fährt. Solche Reichweitenangaben sind also sehr mit Vorsicht zu genießen. Das ist umso wichtiger je weniger man es sich nicht zutraut, ganz auf den Motor zu verzichten weil unterwegs der Strom ausgeht.
Mir macht das keine Sorge, zumal mein Multifunktionsdisplay recht genau über die Restreichweite Auskunft gibt. Ein Arbeitsweg hin und zurück ist locker drin und das ist für mich das Maß der Dinge.
Fazit: Es macht unheimlich Spaß! Es ist anstrengend wenn man möchte, und die Unterstützung ist recht fein skalierbar. Wer Reichweite möchte, verzichtet auf die volle Leistung des Hilfsmotors, wer es gerne bequem oder schnell will, muss öfter an die Steckdose. Als besonders angenehm ist mir das Anfahren mit Last (Kinderanhänger) und das Hügelreiten bergauf aufgefallen. Gegenwind ist kein Thema mehr und nicht zuletzt das ist mir das geplünderte Konto wert.
Natürlich ist man nach wie vor dem Wetter ausgesetzt. Natürlich muss man sich nach wie vor beim Radfahren bewegen. Natürlich ist das Rad nie ein voller Ersatz für ein Auto. Es ist aber auch nie so teuer wie eben dieses – weder in Anschaffung noch im Betrieb und schon gar nicht in der Öko-Bilanz. Wer wie wir auch noch einen verantwortungsvollen Stromanbieter unter Vertrag hat, kann mit einem Pedelec seine individuelle, stressfreie Reichweite aber guten Gewissens um ein Vielfaches erhöhen und sich sicher sein, dass er schon heute das tut, wovon die Autoindustrie noch die kommenden fünf Jahre nur sprechen wird: Elektromobilität sinnvoll einsetzen.
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